Dieser Zustand ist nur erlaubt, wenn du dich in einer sicheren Umgebung befindest. Im eigenen Heim allein, hinter einer sicheren Tür.

Beobachte aber einmal die Menschen in einem Einkaufscenter, einer Diskothek oder sonst wo in der Öffentlichkeit. Du wirst viele Personen sehen, die ihre Ohren mit Kopfhörern verschließen, telefonieren und dabei den Kopf zum Boden gesenkt haben, in Zeitungen, Einkaufslisten, Landkarten o.ä. vertieft sind, mit dem Rücken zum jeweiligen Geschehen stehen oder sitzen und allesamt ihrer Umgebung keinerlei Aufmerksamkeit schenken.

Aus Tätersicht steht diesen Menschen der Schriftzug „Beute“ geradezu auf die Stirn geschrieben.

Mache da nicht mit!

Nimm lieber den weisen Rat von Jeff Cooper an:

Verlasse deine sichere Umgebung niemals in Kondition WEISS!

Im Klartext bedeutet dies: Kondition WEISS ist für dich bestenfalls akzeptabel wenn

  • Du dich in deiner Wohnung oder einer anderen geschützten Örtlichkeit befindest
  • Alle Zugänge verschlossen sind
  • Du die vollständige Kontrolle über die Zugänge hast
  • Du allein bist oder in Gesellschaft von Personen, denen du vollständig vertraust

Sobald es an der Tür klingelt (auch wenn du den Paketdienst ausdrücklich erwartest) oder sonst irgendwie irgendwer auf der Bildfläche erscheint, ist Kondition WEISS passé. Wechsel dann sofort in den nächsthöheren Bereitschaftszustand.

Kondition GELB

Du bist allgemein entspannt aufmerksam. Das ist der Zustand, in dem du die meiste Zeit verbringen wirst. Es ist keine konkrete Gefahr erkennbar; du bist dennoch stets wachsam. Dein Einstellung lautet:

Heute könnte der Tag sein, an dem ich mich verteidigen muss.

Du weißt einfach, dass die Welt ein schöner Ort ist, an dem jederzeit unschöne Dinge passieren können. Und du bist bereit dich zu verteidigen, wenn es erforderlich ist. Du nutzt deine Augen und Ohren aktiv, um die Umgebung wahrzunehmen. Wann immer es möglich ist, sind deine Hände frei oder es befindet sich ein Gegenstand darin, den du als Behelfswaffe einsetzen kannst. Nach kurzer Zeit wirst du Gefallen daran finden, derart aufmerksam durch das Leben zu gehen. Du wirst feststellen, dass du Dinge siehst, die dir bisher nie aufgefallen sind.

Den Begriff Rücksicht verstehst du ab jetzt wie folgt: Wie ein Radar sorgst du dafür, dass du eine zumindest periphere Rundumsicht entwickelst. Du musst dich dafür nicht ständig gehetzt umsehen. Meist reicht einfach eine andere Positionierung. Genieße das Gefühl, im wahrsten Sinne des Wortes den Überblick zu haben. Dein Rücken ist die beste Angriffsseite für Straftäter. Konsequent gilt daher: „Wache nach alle Seiten“. Du wirst nicht unvorbereitet in irgendeine Situation hinein stolpern, sondern der Gefahr möglichst vorher ausweichen. Entgegen häufiger Annahmen passieren die meisten Angriffe nämlich NICHT völlig überraschend, quasi aus dem Nichts. Jeder Täter führt vor der eigentlichen Tat mehr oder weniger offene Vorbereitungshandlungen aus.

Anders als im Straßenverkehr gibt es hier keine „fahrlässigen“ oder „zufälligen“ Verursacher. Die Planungs- und Vorbereitungsphase kannst du in vielen Fällen erkennen. Wenn du es verstehst, die Zeichen zu lesen. Es ist daher einigermaßen sicher, dass der Täter dich mehr oder weniger lange vor seinem eigentlichen Angriff beobachtet und seinerseits bewertet. Dieses so genannte Checking oder Interview kann wenige Sekunden aber auch mehrere Tage oder Wochen dauern.

Ziel des Täters ist es dabei, das vermeintliche Opfer und die Situation zu checken und die Lage gegebenenfalls zu seinen Gunsten zu verändern. Erst wenn nach seiner Überzeugung die Sache erfolgversprechend ist, wird er zur Tat ansetzen.

Aus diesem Grunde geht Condition YELLOW auch immer mit einer eindeutigen, selbstbewussten Körpersprache einher.

Mit ein wenig Training kannst du die Vorbereitungshandlungen deines Gegners erkennen. Gewöhne dir hierzu als allererstes an, alle Menschen in deiner unmittelbaren Umgebung aktiv wahrzunehmen. Scanne immer alle örtlichen Bereiche, in denen du dich aufhältst bzw. aufhalten wirst, möglichst vorausschauend.

Wenn eine neue Person auftaucht, führe sofort einen Schnell-Check durch: Eine gebrechliche ältere Dame oder ein angetrunkener Halbstarker?

Achten insbesondere auf folgende Hinweise:

  • Wer beobachtet dich (direkt oder auffällig unauffällig)?
  • Wer verändert seine Position, wenn du deine veränderst?
  • Wer bleibt länger in deiner Nähe als unbedingt notwendig?
  • Wer kommt dir körperlich näher als unbedingt erforderlich?
  • Wo befinden sich die Hände der Person? Sind diese für dich sichtbar?
  • Welche Gegenstände werden durch die Person mitgeführt oder sind für sie leicht erreichbar?
  • „Passt“ die Person von ihrer Gesamterscheinung in die Situation?

Du kannst diese Übungen mühelos und unauffällig in deinen Alltag integrieren. Mache ein Spiel daraus, deine tactical skills auszubauen. Sei diesbezüglich grosszügig kritisch. Besser eine Gefahr zu viel angenommen, als eine übersehen.

Vertraue dabei deinem Bauchgefühl und lass es konsequent zu. Besonders Frauen haben häufig eine sehr sensible Wahrnehmung dafür, wenn „etwas nicht stimmt“.

Verdränge diese Wahrnehmung nicht. Sie kann dein Leben retten.

Bei der Suche nach Beute gehen viele Täter ebenfalls durchaus taktisch vor. So kann es vorkommen, dass sie zunächst eine Art „Trockenübung“ durchführen, indem sie testen, ob und wie das vermeintliche Opfer auf ihren Vorstoss reagiert und wie sie ihren Angriff am besten durchführen können. Dies entspricht dem taktischen Begriff der „Aufklärung“.

Achte also auf deine Umgebung und stelle dir diesbezüglich konkrete Fragen:

  • Warum fährt dieses Fahrzeug nun schon zum wiederholten Mal an mir vorbei?
  • Warum fragt der Mann mich nach der Uhrzeit, obwohl er doch eine Armbanduhr und ein Handy hat?
  • Warum legt der Kerl beim Gespräch immer wieder seine Hand auf meinen Arm?

Wenn du dich verfolgt fühlst, prüfe den Verdacht, indem du deine Route änderst. Achte dabei allerdings darauf, dich nicht in abgelegene Bereiche wie Hinterhöfe oder Keller zu begeben.

Wenn sich dein Bauchgefühl meldet oder du eine konkrete verdächtige Wahrnehmung machst, wechsle auf die nächste Ebene.

Condition ORANGE (Orange)

Du bist spezifisch aufmerksam. Irgendetwas ist nicht ganz richtig und hat deinen Verdacht erregt. Dein Radar hat etwas ganz Konkretes bemerkt.

Du erhöhst deine grundsätzliche Aufmerksamkeit und siehst genauer hin. Vermeide dabei aber den Tunnelblick und halten auch stets die gesamte Lage peripher im Blick, um nicht in einen Hinterhalt zu geraten (Watch your six).

Wechsle dein Mindset in

Es kann sein, dass ich diese Person bekämpfen muss.

Du triffst eine konkrete Entscheidung: „Wenn er X tut, werde ich Y tun.“

Condition ORANGE kann eine stärkere mentale Anspannung bedeuten. Du kannst diesen Zustand aber ohne Probleme relativ lange aufrechthalten.

Hast du die Lage geklärt und festgestellt, dass keine akute Gefahr vorliegt, schaltest du wieder zurück auf  YELLOW.

Trainiere auch das im Alltag. Stelle dir in Bezug auf eine anwesende Person vor, wie diese dich auf einmal und auf welche Weise angreift.

Visualisiere deine Verteidigung. Prüfe, welche Behelfswaffen und Fluchtwege vorhanden sind.

Das ist cool: Niemand wird dein heimliches Training bemerken und du geniesst das Gefühl, dem möglichen Täter einen Schritt voraus zu sein.

Wechsle immer auch sofort in ORANGE, wenn jemand bereits aktiv in deine Richtung agiert. Sei es durch Hinterherbrüllen oder dadurch, dass er sich aggressiv auf dich zubewegt.

In Condition ORANGE kann es also zu (verbaler) Interaktion mit einem potenziellen Täter kommen.

Hierzu einige taktische Hinweise:

  • Wenn er sich dir nähert und dein Instinkt sagt dir, dass hier etwas nicht stimmt, werde sofort aktiv. Lasse niemals den Täter die Situation bestimmen.
  • Gehe auf Distanz. Bringe so viele Hindernisse zwischen dich und ihn wie möglich. Nutze alle zur Verfügung stehenden Barrieren, um ihn aufzuhalten und Zeit zu gewinnen. Zwinge ihn, erst ein oder mehrere Hindernisse überwinden zu müssen, bevor er sich dir nähern kann.
  • Halte immer mindestens 2 Meter Abstand zu ihm. Sorge aktiv dafür, dass dieser Abstand immer wieder hergestellt wird. Du sind damit aus der direkten Reichweite des potenziellen Täters und kannst besser reagieren, falls er dich angreift.
  • Rechne jederzeit damit, dass er dich körperlich anfasst oder angreift.
  • Halte deinen Blick auf seinen Kopf-/Halsbereich. Senke deinen Blick nicht; weiche seinem Blick nicht aus.
  • Halte deine Hände frei oder habe eine Behelfswaffe darin.
  • Behalte seine Hände (peripher) im Blick. Sei besonders auf der Hut, wenn er in seine Tasche oder Kleidung greift. Es könnte der Griff zu einer Waffe sein.
  • Positionieren dich möglichst günstig hinsichtlich Kampf oder Flucht.
  • Wenn er dir eine Frage stellt, beantworten Sie diese negativ. Egal, wie belanglos oder angemessen sie scheint. Es besteht für dich keine Pflicht zur Höflichkeit.
  • Lässt dein Gegenüber daraufhin nicht von dir ab, kannst du sicher sein, dass er mehr will als nur eine harmlose Auskunft. Mache ihm unmissverständlich klar, dass er dich in Ruhe lassen soll.
  • Unmissverständlich bedeutet dabei, dass alle Signale, die du aussendest, eine einheitliche Sprache sprechen müssen. Erhebe deine Stimme. Sprich in kurzen, befehlenden Sätzen. Verzichte auf freundliche oder entschuldigende Zusätze wie „Bitte“. Lächle oder lache nicht.
  • Lasse dich niemals auf einen Ortswechsel ein. Weder durch Überredung, noch durch Zwang. Dieser andere Ort wird einer sein, der für den Täter bessere Umstände bietet. Es wird der eigentliche Tatort sein.
  • Vermeide es, in fremden Fahrzeugen mitzufahren. Wenn du es tust, sitze niemals auf dem Rücksitz. Dies gilt insbesondere für Fahrzeuge ohne rückwärtige Türen. Im Falle eines Angriffs befindet du dich dort wie in einer Mausefalle.
  • Befindest du dich in einem Fahrzeug und der Täter draussen, verriegle die Türen und steige nicht aus. Starte den Motor und verlasse den Ort.
  • Stelle immer eine Öffentlichkeit her. Bleibe nie mit dem vermeintlichen Täter allein.
  • Will der Täter sich selbst entfernen oder flüchten, hindere ihn nicht daran.

Wenn er sich dir nähert, halte Blickkontakt mit ihm. Zeige ihm, dass du ihn wahrgenommen hast und er dich nicht überraschen kann. Dies stärkt grundsätzlich deine Position als „hard target“.

Die Sache hat allerdings auch eine Kehrseite. Wenn der Täter es ausnutzen will, kann er an dieser Stelle die beliebte „Ey, was glotzt du so doof?“- Frage stellen. Sei stets darauf gefasst.

Ausserdem weist du jetzt zweifelsfrei, dass dein Gegenüber Konfliktpotenzial hat. Die Voraufklärung ist abgeschlossen. Du hast einen Gegner.

Durch deine direkte Antwort „Sorry, Ich habe Sie mit jemandem verwechselt.“ kannst du die Sache abschliessend klären.

Entweder dein Gesprächspartner verhält sich jetzt ebenfalls sozialadäquat und lässt die Angelegenheit auf sich beruhen. Behalten ihn in diesem Fall dennoch peripher im Auge, wenn du dich jetzt aktiv von ihm entfernst.

Jede anders geartete Handlung seinerseits ist klares Alarmsignal für dich.

Schalte spätestens jetzt sofort um auf Condition RED.

Condition RED (Rot)

Condition RED bedeutet Kampf oder Flucht. Beides mit aller Konsequenz und ohne Kompromisse.

Dein mentaler Abzug wurde ausgelöst. Er hat X getan, du tust Y.

Jetzt sofort. Ohne Wenn und Aber. Du bist wie ein Hurricane. Du bist nicht aufzuhalten. Sie bleibst so lange in RED, bist die Gefahr zweifelsfrei neutralisiert ist und du dich an einem sicheren Ort befindest.

Deine Einstellung muss jetzt sein:

Ich werde mein Leben um jeden Preis verteidigen.

Bitte beachte, dass der Wechsel von einer Condition in die andere nicht zwangsläufig linear erfolgen muss. So ist es im Falle eines überraschenden Angriffs natürlich möglich und auch zwingend erforderlich, von YELLOW direkt auf RED zu wechseln.

Die schlechteste Variante ist freilich von WHITE in eine ROT-Lage zu stolpern.

Aber das kann dir ab sofort ja nicht mehr passieren.

Sobald andere Personen in der Nähe sind, befindest du dich automatisch in YELLOW. Nicht wahr?

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