SPINOZA: MAN BRAUCHT KEINEN GOTT, UM GUTES ZU TUN
Baruch Spinoza, der ketzerische Philosoph des 17. Jahrhunderts, der wegen seines zu freien Denkens aus dem Judentum exkommuniziert wurde, glaubte nicht an einen persönlichen Gott, der über uns richtet. Er glaubte nicht an Himmel, Hölle oder Wunder.
Und doch glaubte Spinoza an eine absolute Moral.
Wie das? Weil Gott für Spinoza kein himmlischer Buchhalter war, der Sünden aufzeichnete. Gott war die Natur selbst – Deus sive Natura. Das Universum war nicht kalt oder gleichgültig, es war göttlich.
In diesem System wird Ethik nicht von oben auferlegt. Sie entsteht aus Verständnis. Spinoza argumentierte, dass wir umso mehr im Einklang mit der Vernunft leben und umso tugendhafter werden, je besser wir unseren Platz in der Natur verstehen – unsere Triebe, unsere Grenzen, unsere gegenseitige Abhängigkeit.
Für Spinoza geht es bei Moral nicht um Gehorsam. Es geht um Ausrichtung.
Man verzichtet nicht auf Grausamkeit, weil ein göttlicher Richter zusieht. Man verzichtet darauf, weil Grausamkeit das eigene Wesen fragmentiert, einen gegen andere aufbringt und das eigene Gedeihen sabotiert. Gut ist, was die eigene Kraft zu existieren und zu verstehen stärkt. Böse ist, was sie schwächt.
Das ist kein Relativismus. Es ist Strenge, die nicht auf Geboten, sondern auf Metaphysik basiert.
Es ist keine Hintertür für Libertine. Es ist ein Aufruf zur Integrität, der keinen kosmischen Bestrafer braucht, um zu gelten.
Und hier kommt der Clou: Spinoza war wohl atheistischer als die meisten modernen Atheisten. Er lehnte jeden anthropomorphen Gott ab, verwarf die Unsterblichkeit der Seele und gelangte dennoch zu einer Moralphilosophie, die ebenso anspruchsvoll ist wie jedes religiöse System.
Wenn das für Sie wie eine Erlaubnis klingt, „zu tun, was Sie wollen“, dann haben Sie Spinoza nicht verstanden. Oder den Atheismus. Oder, offen gesagt, die Ethik.
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