Information vom Feindsender
Neue Modellierung veröffentlicht: „Wirkungen möglicher Impfkampagnen im Herbst 2022“
4 Mai 2022 17:40 Uhr
Theoretische Modellierungen möglicher „Corona-Szenarien“ gehörten in den zurückliegenden zwei Jahren zu den wesentlichen Argumentationspfeilern der verantwortlich handelnden Politiker. Nachweislich entsprachen viele Modelle rückblickend nicht der Realität. Auch für den kommenden Herbst wird schon wieder fleißig „modelliert“.
von Bernhard Loyen
Im Gegensatz zum Status quo am Beginn der Coronakrise im Jahr 2020 können verantwortliche Politiker mittlerweile auf reichhaltige Vergleichsmaßstäbe oder sogar erwiesenermaßen nachweisliche Fehleinschätzungen verpflichtender Maßnahmenverordnungen zurückgreifen, könnten diese für künftige Strategien und Entscheidungen einbeziehen und berücksichtigen. Es gilt als nachvollziehbar und erwiesen, dass sich Politiker zu Beginn der Krise Hilfe und Unterstützung im Bereich der theoretischen Wissenschaft in Form sogenannter Modellierungen für ein Szenario X suchten, parallel zur eher verwaltenden Arbeit der einschlägigen Ministerialbeamten und -angestellten.
Solche Kooperation wird sicherlich auch für den Herbst und Winter 2022 wieder zu erwarten sein. Es gilt jedoch erneut die Frage zu stellen, welche Absichten und Erwartungen hegen die regierenden Politiker hinsichtlich der künftigen Modellierungen? Was bestimmt die Motivation der Sachverständigen für derartige Modellierungen? Für die anvisierte Zielgruppe, den Durchschnittsbürger dieses Landes, sind die veröffentlichten Ergebnisse – trotz all seiner in zwei Jahren privat gesammelten „Expertise“ – schwer zu beurteilen, da nur Tendenzen kolportiert werden, in Bezug auf Argumente oder beabsichtigte Nützlichkeit.
Am 26. April 2022 veröffentlichte die Technische Universität Berlin – unvermutet in einem Blog mit der Überschrift „Verkehrsplanung“ – Folgendes über eine neue Modellierung: „Wirkungen möglicher Impfkampagnen im Herbst 2022 – Neuer MODUS-COVID Bericht.“ In der Einleitung heißt es zu Beginn: „In dem von Prof. Nagel geführten Projekt „MODUS-COVID“ haben wir dem BMBF wieder einen Bericht abgeliefert.“ BMBF ist das Kabinettskürzel für das „Bundesministerium für Bildung und Forschung“. Die Formulierung „wieder einen Bericht“ belegt, dass dieses Projekt „MODUS-COVID“ offenbar schon in den zurückliegenden Jahren solche Modellierungen abgeliefert hatte. Dazu hieß es auf der Seite des BMBF bereits im Oktober 2021:
„Eigentlich berechnet Prof. Kai Nagel, wie sich Verkehrsflüsse möglichst nachhaltig und effizient für alle leiten lassen – in der Corona-Pandemie befasste er sich mit den Verbreitungswegen von SARS-CoV-2 …
Mit seinen Prognosen kam der Wissenschaftler der Realität oft sehr nahe, und so wurde er in den vergangenen 18 Monaten zu einem vielzitierten Experten bei der Simulation des Ausbreitungsverhaltens von SARS-CoV-2.“
Des Weiteren informiert das BMBF über Prof. Kai Nagel: „… im März 2020 ließ er die dem Robert Koch-Institut und den Gesundheitsämtern vorliegenden Daten erstmals in sein Modell einfließen, und trotz deren Komplexität und wiederholt nötiger Aktualisierungen konnten er und sein Team kurze Zeit später bereits genauere Aussagen zur Entwicklung der Infektionsdynamik treffen.“ Prof. Nagels Modellierungen haben also einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert in der verordnenden Politik, auch wenn diese getroffenen „Aussagen“ lediglich Prognosen der verwendeten Modelle sein konnten.
Die aktuellste Modellierung wird im Bericht „Wirkungen möglicher Impfkampagnen im Herbst 2022 – MODUS-COVID Bericht vom 26.04.2022“ auf neun Seiten, unterteilt in sechs Kapitel beschrieben. In dem ersten Kapitel als „Zusammenfassung“ heißt es: „Wir betrachten mögliche Szenarien der Virusentwicklung für die nächsten Monate.“ Das Team um Prof. Nagel berechnete Varianten und daraus resultierende gesellschaftliche Herausforderungen, ausgehend von einer vermuteten „Omikron-ähnlichen Variante“ sowie einer denkbaren „neuen Immunflucht-Variante“. Dazu schreibt das neunköpfige Team in der Veröffentlichung:
„Sofern die Immunflucht-Variante bzgl. Krankheitsschwere so gefährlich wie die Delta-Variante ist, droht laut unserem Modell eine erneute Überlastung des Gesundheitssystems.“
Erneute Überlastung? Der Staatssekretär Edgar Franke, aus dem Ministerium Lauterbach, wird im Februar 2022 mit den Worten zitiert:
„Eine deutschlandweite, regional gleichzeitige Überlastung aller verfügbaren ITS-Kapazitäten, die eine systemische Unterversorgung von intensivpflichtigen COVID-19-Fällen (…) bedeutet hätte, trat nicht ein.“
Gesundheitsminister Lauterbach kritisierte diese Aussage prompt als verzerrt und verkürzt dargestellt, um dann jedoch in einem Interview mit der Tageszeitung taz einzugestehen:
„Es gab nur keine deutschlandweite Überlastung des Gesundheitssystems, also keine an allen Stellen gleichzeitig. Aber Patienten mussten von einem Bundesland ins andere Bundesland verlegt werden.“
Die belegt hier auch ein Screenshot aus dem Zeitraum des Jahreswechsels von 2020 zu 2021 in Bezug auf gemeldete COVID-19-Erkrankungen in Deutschland (blaue Skala).
Screenshot: RKI-COVID-19 Dashboard
Die erste Frage sollte also lauten: Warum spricht das Team um Prof. Nagel in seinem aktuellsten Arbeitsbericht von einer „laut unserem Modell“ drohenden erneuten „Überlastung des Gesundheitssystems“? In der Veröffentlichung betrachtet das Team, ausgehend von „Simulationen“, „mögliche Szenarien“ für die kommenden Monate und „mögliche Auswirkungen“ auf die Infektionsdynamik, die „eine solche hypothetische Virusmutation haben könnte.“ Also auch für die diesjährige Herbst-Winter Modellierungs-Saison stehen den handelnden Politikern erneut sehr viele theoretische Eventualitäten und praktische Konjunktiv-Formulierungen zur Verfügung.
Aus den Darlegungen ihrer „Szenarien resultierender Infektionszahlen“ und „Szenarien resultierender Hospitalisierungsinzidenzen“ schlussfolgert das Forscherteam final im Kapitel 5 „Wirkung möglicher Impfkampagnen“, dass sie sich „diesmal nicht auf eine mögliche Impfpflicht“ konzentrieren würden, sondern in Betracht zögen, „welche Wirkung schnelle Impfkampagnen auf die oben diskutierten Szenarien haben würden.“ Dabei unterscheiden die Wissenschaftler „zwei mögliche Impfstoffe“: „Bisheriger Impfstoff“ und „Impfstoff mit Omikron-Update“. Zu der Modellierung mit Einsatz eines „bisherigen Impfstoffs“ heißt es:
„Weil es sich in den Szenarien 2 und 3 um eine weitere Immunflucht-Variante handelt, ist damit zu rechnen, dass der bisherige Impfstoff bzgl. Übertragung hier kaum Wirkung hat …
Durch mehrfaches Boostern wird diese ursprünglich sehr kleine Menge (von Antikörpern) möglicherweise auf eine Höhe gebracht, welche eine gewisse Schutzwirkung gegen schwere Verläufe entfaltet.“
„Möglichweise“ eine „gewisse Schutzwirkung“ gegen „schwere Verläufe“? Anscheinend waren im Team der Nicht-Mediziner um Prof. Nagel die jüngsten einschlägigen Warnungen von Medizinern zu dem Thema nicht bekannt, die eindeutig und nachdrücklich vor „mehrfachem Boostern“ warnten. Das ZDF informierte im Januar 2022: „EMA warnt vor zu häufigem Boostern“. Der ehemalige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Andreas Radbruch, weist regelmäßig auf die Booster-Problematik hin. In einem Interview im März 2022 wird er gefragt, warum häufiges Boostern aus seiner Sicht problematisch sei. Seine Erläuterung lautete:
„Die ‚antigene Sünde‘, so der Fachbegriff, beschreibt einen Effekt, bei dem sich das Immunsystem auf einen bestimmten Impfstoff prägt. Wenn man nun dauerboostert, bis das Immunsystem wirklich übersättigt ist, und dann eine Variante käme, die sehr ähnlich, aber gefährlicher wäre, könnte man mit diesem Impfstoff nichts mehr erreichen, selbst wenn man einen angepassten nehmen würde.“
Daher irritiert die Veröffentlichung der Gesundheitsforschung im BMBF als Auftraggeber für das vier Jahre lang mit insgesamt 3,2 Mio. Euro geförderte Projekt MODUS-COVID auch dahingehend, dass das Team der Verkehrsforscher um Prof. Nagel mit „seinen Prognosen … der Realität oft sehr nahe“ kam und „in den vergangenen 18 Monaten zu einem vielzitierten Experten bei der Simulation des Ausbreitungsverhaltens von SARS-CoV-2“ wurde. Mehr als irritierend ist die folgende Formulierung im jüngsten veröffentlichten Bericht der Verkehrsforscher-Gruppe ihrer (zum Glück nur theoretischen) Modellierung im Kapitel 5 als Originalzitat:
„In der am besten wirksamen Impfkampagne werden alle (!) Personen ab fünf (!) Jahren mit dem Update-Impfstoff geimpft.“
Alle Personen ab fünf, also Kleinkinder? Laut Statistik erhielten tatsächlich bisher nur 22 Prozent der 5- bis 11-jährigen Kinder in Deutschland (das sind statistisch ca. 6 Millionen Kinder) bis dato eine COVID-19-Erstimpfung.
Zur Begründung ihrer rein mutmaßlichen Berechnungen zu einer solchen „Impfempfehlung“ heißt es in dem Forschungsbericht:
- In Szenario 1 („eher günstig“) bewirkt dies ein sehr deutliches Absinken von Infektions- und Hospitalisierungsinzidenzen.
- Im mittleren Szenario 2 wird die Infektionsinzidenz durch eine solche Impfkampagne auf das 0,7-fache des Niveaus der Omikron-Welle abgesenkt, die maximale Hospitalisierungsinzidenz beträgt nur noch das 0,2- bis 0,6-fache des Maximums der Omikron-Welle (…).
- Im „eher ungünstigen“ Szenario 3 ist die Infektionsinzidenz wie in Szenario 2. Die Hospitalisierungsinzidenz beträgt das 0,7- bis 2,1-fache des Maximums der Omikron-Welle (…).
Im Kapitel 6 zur „Einordnung der Simulationsergebnisse“ heißt es dann: „Selbst das ‚eher günstige‘ Szenario 1 führt zu einer Welle ähnlich der Omikron-Welle. Immerhin haben wir hier die Möglichkeit, durch eine gezielte Impfkampagne sowohl die Welle der Infektionen abzuschwächen als auch die Krankenhausbelastung zu reduzieren“ und weiter:
„Es gibt aber auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass das ‚eher ungünstige‘ Szenario 3 eintritt. Falls dies passiert, können (laut unseren Simulationen) Impfungen als Einzelmaßnahme nur dann eine Überlastung des Gesundheitssystems vermeiden, wenn eine utopisch hohe Impfquote von 100% ab einem Alter von 5 Jahren angenommen wird. Falls eine Überlastung des Gesundheitssystems abgewendet werden soll, wird es in einem solchen Szenario also nötig sein, über die Impfkampagne hinaus sehr schnell sehr deutliche Gegenmaßnahmen zu ergreifen – also Teststrategie, Maskenpflichten und Kontaktbeschränkungen.“
Es wird dabei eine „utopisch hohe Impfquote von 100 Prozent ab einem Alter von 5 Jahren“ angenommen? Bei den jetzt schon sehr gut dokumentierten und verfügbaren Zahlen und Fakten der gesellschaftlichen Gesamtsituation in den zurückliegenden zwei Corona-Jahren in Deutschland ist eindeutig nachweisbar, dass die Menschen in diesem Land nachweislich mehr unter der auf Modellierungen à la „Team Nagel“ basierenden Maßnahmenpolitik gelitten haben als durch die Bedrohungen von Virus-Varianten. In dem aktuellen Wikipedia-Beitrag wird die Prognosesicherheit von Prof. Kai Nagel so „gewürdigt“:
„Seit 2020 gehört Nagel zu den Fachleuten, die die deutsche Bundes- und die Landesregierungen während der COVID-19-Pandemie beraten. Im März 2021 erregte seine Warnung vor einer möglichen Inzidenz von 2000, die im Mai 2021 entsprechend seiner Modellierungen erreicht werden könnte, mediales Aufsehen. Als mögliche Maßnahme, diese zu vermeiden, sprach er sich für intensives Testen aus.
Als mögliche Gründe dafür, warum diese und andere Prognosen sich nicht bestätigten, nannte im Mai die Zeitschrift Focus, dass sich Faktoren wie Schulöffnung, Aktivitätsniveau, niedrige Impfquote, wenig Tests in Einrichtungen, die den Modellierungen zugrunde lagen, geändert hatten.“
Heißt es nicht im Volksmund salopp „Knapp daneben, ist auch vorbei“? Der Focus-Artikel trägt die Überschrift: „Inzidenz von 2000? Warum die Horror-Prognose nicht eintraf – und die Zahlen sinken.“ Der Wikipedia-Beitrag informiert leider nicht darüber, ob Herr Nagel nebenbei auch noch Familienvater ist. In einem Interview mit dem Radiosender des rbb in der Sendung Radio Eins im August 2021 wurde der Fachmann aber dennoch zum Thema Kinder als vermeintliche „Pandemietreiber“ befragt, ausgehend seiner auch damals theoretischen Modellierung. Der Moderator fragte: „Wenn die Schulen wieder losgehen (nach den Sommerferien 2021), warum gehen sie davon aus, dass die Schüler zu Pandemietreibern werden? Nagels Antwort lautete:
„Pandemietreiber ist irgendwie ein unschönes Wort, aber sie tragen bei, und es ist jetzt so, dass Delta zwei- bis dreimal ansteckender ist als die originale Variante, und das sieht bei uns eben so aus. Ob es dann ausreicht, dass die Schüler das dann weitertragen, und jetzt haben wir halt die Situation, dass die Schüler nicht geimpft sind …“
Stellvertretend für viele Überlegungen zu den unsäglichen Belastungen und eben auch Unterstellungen und auch daraus resultierenden zusätzlichen psychischen Belastungen der Kinder und Jugendlichen in Deutschland sei hier auf das Ergebnis der Studie „Covid Kids Bavaria“ 2020/2021 aus Bayern verwiesen. Laut diesem Ergebnis einer Studie gebe es keinerlei Anhaltspunkte, das „Kinder ‚Virenschleudern‘ gewesen seien, sagte der [Ärztliche] Direktor der Kinderheilkunde im Haunerschen Kinderspital am LMU-Klinikum München Christoph Klein als einer der Studienleiter“, heißt es in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung im Januar 2022.
Auch hier stellt sich die Frage, warum das Verkehrsforscher-Team um Prof. Nagel solche Erkenntnisse dermaßen ignoriert oder negiert. Benötigen Kinder ab dem Alter von fünf Jahren nach den Erkenntnissen der zurückliegenden zwei Jahre überhaupt einen Corona-Impfschutz – egal ob „alter“ oder „neuer“ Bauart? Eindeutig Nein, außer bei einer klaren Indikationsimpfempfehlung durch Vorerkrankungen. In einem Artikel der Berliner Zeitung vom 2. Mai 2022 heißt es:
„Wie wäre ein Arzt zu nennen, der einem Patienten seit Monaten ein Medikament verordnet, ohne zu wissen, ob es wirkt? Vielleicht sogar schlimmer noch: der die Dosis ständig erhöht, weil die erhoffte Heilung ausbleibt. Er wäre wohl als Quacksalber zu bezeichnen, den es zum Wohle der Menschheit aus dem Verkehr zu ziehen gilt.
Die deutsche Politik und einige derjenigen, die sie beraten, machen seit mehr als zwei Jahren Corona-Pandemie genau das: Sie erlassen Maßnahmen und heben sie wieder auf, ohne zu wissen, ob dies wirklich hilfreich ist, weil sie über keine gesicherten Daten verfügen. Sie bewegen sich im Blindflug durch ein bedrohliches Szenario wie ein Quacksalber ohne Approbation durch seine Patientenkartei.“
Das Gefährliche einer Modellierung aus dem Hause der Technischen Universität Berlin, ist, dass das Team um Prof. Nagel weiter willkürlich modelliert, trotz vorliegender einschlägiger Erkenntnisse von Medizinern und Statistikern der bearbeiteten Felder. Wie die verantwortlich (?) handelnden Politiker mit dieser jüngsten Veröffentlichung, also auch einer Empfehlung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung umgehen, werden uns die kommenden Wochen und Monate zeigen.
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